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Auf dem Dache Afrikas

Unsere Kilimandscharo-Besteigung via Lemosho-Route

 

Aus gegebenem Anlass eine kleine Zusammenfassung unseres großen Abenteuers. Am 03. August 2012 brachen wir Richtung Tansania auf, um den Hauptgipfel des Kilimandscharo, den Uhuru Peak, zu besteigen. 

 

Zumindest für mich gesprochen, damals noch mit deutlich vollerem Haar ;) und weniger körperlichen Wehwehchen war dies als anfänglicher jugendlicher Leichtsinn gedacht, ein paar der Seven Summits zu besteigen und ein wenig Abenteuerluft zu schnuppern.

 

„Der Helle“ ist mit 5895m der höchste Berg Afrikas. Technisch stellt er kein schwieriges Unterfangen dar, jedoch die Höhe und die Kälte sollten sich noch als problematisch erweisen. „Der härteste Spaziergang der Welt“ wie einst der Spiegel titelte - klingt sehr heroisch und geht runter wie Honig, trifft aber ganz gut den Nagel auf den Kopf. Denn noch nie zuvor hatte mir mein Körper so deutlich zu verstehen gegeben, dass er viel lieber etwas anderes machen wolle als immer nur im Schneckentempo jeden Höhenmeter zu erkämpfen. Diese hitzigen Diskussionen mussten wir leider des Öfteren führen.

Hier ein paar Eindrücke, um Euch auf diese unvergessliche Reise ein stückweit mitzunehmen.

Tag 1 

06. August 2012 

Moshi (800m) - Londorossi Park Gate (2200m) - Mti Mkubwa/Big Tree Camp (2750m) 

Länge: 7 km, Gehzeit: 3-4 Stunden 

 

Bereits am 03. August traten Günther und ich die (laaaaaaaange) Reise von Salzburg aus an. Nach sechs schicken Flughäfen dazwischen und einem ausgiebigen Queen-Marathon in meinem Kopfhörer, erreichten wir irgendwann den zentralen Ausgangspunkt für nahezu alle Kili-Besteigungen, die Großstadt Moshi. 

 

Wir hatten uns bereits im Vorfeld für die sog. „Lemosho Route“ entschieden. Diese ist deutlich weniger frequentiert und „ursprünglicher“. Der Bergführer namens Godfrey und seine Begleitmannschaft holten uns schon einen Tag nach unserer Ankunft mit dem Auto ab. Wir fuhren 80 Kilometer weit durch wüstenähnliches und unwegsames Gelände zum bekannten „Londorossi Gate“, der zentralen „Eingangstür“ in den Mount Kilimandscharo Nationalpark, wo wir registriert wurden. Vom sattgrünen Regenwald aus starteten wir zu Fuß in die Lemosho-Niederungen. Unsere Beine fühlten sich gut an, so dass uns unser Bergführer mantraartig immer wieder mit den Worten „pole pole“ (langsam) einbremsen musste. Im „Big Tree Camp“ wartete schon unser Zelt sehnsüchtigst auf uns. In der Reisebuchung hieß es: „Auf diesem Abschnitt sind Begegnungen mit Wildtieren wie z. B. Büffeln oder Elefanten möglich, daher werden Sie von einem bewaffneten Ranger begleitet.“ Unser Ranger hatte wohl frei an dem Tag, denn wir waren komplett alleine unterwegs (Na super, bei der Besteigung des Kili gleich am ersten Tag von einem Elefanten aufgefressen - das glaubt Dir doch eh niemand!).

Tag 2 

07. August 2012 

Mti Mkubwa/Big Tree Camp (2750m) - Shira Plateau Camp 2 (3850m) 

Länge: 14 km, Gehzeit: 7-8 Stunden 

 

Nach einer sehr durchwachsenen Nacht, da starke Atemprobleme, führte der Weg hinaus aus dem Regenwald in deutlich steileres Terrain durch eine Heide- und Moorlandschaft. Wir überquerten den sog. „Shira Kamm“ und erreichten nach vier Stunden das erste Camp für die Mittagspause. Über die Hochebene hinaus (mit einer lohnenden Fernsicht in alle Richtungen) erreichten wir im Anschluss das Shira Camp 2 auf 3850m. Hier war die Landschaft schon sichtlich karger, auch die Temperatur war deutlich gefallen, so dass bereits die gute alte Daunenjacke Verwendung fand. Trotz des guten Wetters zeigte sich der Kili kein einziges Mal, weshalb die Orientierung zunächst schwer fiel. Erst am Abend wichen die Wolken und der Nebel für einen Augenblick, so dass wir voller Ehrfurcht auf das Massiv des Kilis blicken konnten. Ein erster Gänsehautmoment - ich hatte schon viele Bilder im Vorfeld gesehen, aber dieses unglaublich riesige Massiv war für mich beflügelnd und einschüchternd zugleich. Diese Nacht war deutlich besser, ich hatte mich zumindest auf dieser Höhe schon gut akklimatisiert. An „walk high - sleep low“ war schon was dran. Nur das ermahnende Mantra „pole pole“ unseres Bergführers kam mir sogar im Schlaf unter.

Tag 3 

08. August 2012 

Shira Plateau Camp 2 (3850m) - Lava Tower (4600m) - Barranco Camp (3950m) 

Länge: 10 km, Gehzeit: 6-7 Stunden 

 

Die heutige Etappe führt durch eine karge und von Geröll geprägte Landschaft, die durch den tiefen und dichten Nebel noch faszinierender und imposanter wirkt. Subjektiv gefühlt treffen wir jetzt auf mehr Personen, die wie wir schon bald auf dem Gipfel stehen wollen. Hin und wieder entdecken wir zwischen den Felsen Liegen mit Rädern (siehe Bild). Diese sind im Notfall für höhenkranke Bergsteiger vorgesehen, damit diese möglichst schnell auf eine geringere Höhe transportiert werden können. Trotz einigermaßen guter Akklimatisation und körperlicher Fitness ist niemand hundertprozentig vor den Symptomen einer Höhenkrankheit gefeit, wie wir trotz guter Vorbereitung selber immer wieder feststellen mussten. Nachdem wir einen Teil des Kibo Gipfels auf dessen Südseite umrundet haben, erreichen wir nach einigen Stunden den Lava Tower mit 4600m. Ich bin total erledigt, das Sprechen wurde vom niederbayerischen Grant völlig abgelöst und ich habe seit geraumer Zeit große Schwierigkeiten, genügend Luft in meinen Körper zu pumpen. Was „pole pole“ betrifft, war ich heute bisher ein absoluter Musterschüler. Günther geht es deutlich besser - was man auch daran erkennt, dass er von dieser Etappe viel mehr Bilder gemacht hat. Nach einer längeren Pause führt unser Weg vorbei an meterhohen Schopfbäumen (Senecien, Riesenlobelien) hinab ins Barranco Valley. Mit jedem Höhenmeter, den wir wieder absteigen, kommt merklich die Kraft und gute Laune zurück. Die abendliche Aussicht über den Wolken war jede Mühe des heutigen Tages wert. Wahnsinn ist es hier schön! Nachdem ich einige Bilder gemacht und mir den Bauch so richtig vollgeschlagen habe - das Essen ist jeden Tag ein Festmahl - krieche ich glücklich und zufrieden in meinen Schlafsack.

Tag 4 

09. August 2012 

Barranco Camp (3950m) - Barranco („Breakfast“) Wall (4300m) - Karanga Valley Camp (3950m) 

Länge: 5 km, Gehzeit: 4-5 Stunden 

 

Nach einer wirklich guten Nacht, einem wie immer vorzüglichen Frühstück (bin ich voll!) und der täglichen Katzenwäsche (die am vierten Tag eher Makulatur ist) erklimmen wir die Barranco Breakfast Wall, die jedoch schlimmer aussieht als sie tatsächlich ist. Jedoch die Träger mit Zelt, Proviant etc. leisten wirklich Unvorstellbares. Mit teils schlechter Ausrüstung und knapp 20 Kilo auf dem Kopf bezwingen sie im Eiltempo jede einzelne Etappe. Godfrey kam seinen Pflichten als Bergführer übereifrig nach und schwor uns auf die heutige Etappe immer wieder ein. Ach ja, habe ich schon erwähnt, dass „pole pole“ langsam heißt? ;) Zu den kleinen farbigen Punkten im Fels (siehe Bild) gesellen wir uns ebenfalls dazu. Nach fast zwei Stunden erreichen wir das obere Plateau mit einem beeindruckenden Ausblick auf den Kibo Krater. Der Weg führt nun weiter Richtung Osten bis zum Karanga Camp, wo wir auch die Nacht verbringen werden. Für heute haben wir es geschafft nach nur wenigen Stunden Gehzeit. Wir steigen im Anschluss noch ca. 400 Höhenmeter weiter auf damit wir für die Nacht weiter unten gut akklimatisiert sind. Der Blick auf den Mt. Meru (siehe Bild), der sich aus den Wolken erhebt und mit 4565m der zweithöchsten Berg diese Kontinents ist, wirkt absolut unwirklich und faszinierend. 

Tag 5 

10. August 2012 

Karanga Valley Camp (3950m) - Barafu Camp (4600m) 

Länge: 4 km, Gehzeit: 3-4 Stunden 

 

Heute steht uns eine recht steile, jedoch nur kurze Etappe bevor. Wir versuchen Kraft zu sparen, denn schon in der Nacht wird es ernst, wir werden zum Gipfel aufbrechen. Die Vegetation wurde mittlerweile fast vollständig von Geröll und losen Felsbrocken abgelöst. Tagsüber haben wir noch perfektes Wetter und grandiose Ausblicke auf den Mt. Meru, den Mawenzi und den Kibo. Als wir im Barafu Camp ankommen ist das Wetter leider so dermaßen schlecht. Schneeregen, die Sicht ist nur mehr ein paar Meter weit, so dass ich erst einmal überhaupt keine Orientierung mehr habe, wo wir uns überhaupt befinden. Im Zelt versteht man sein eigenes Wort kaum mehr aufgrund des Unwetters. Vor ein paar Tagen sind wir bei gut 30 Grad und bestem Wetter in kurzer Montur aufgebrochen, jetzt liegt Schnee und es ist trotz Daunenjacke und Zwiebelprinzip saukalt. Mein Akku ist leider aufgebraucht, da ich mich bereits seit dem Nachmittag mit nervigen Magenproblemen rumärgern muss, das frisst ordentlich Energie. Dies wird zum Glück schlagartig besser als Godfrey im Camp einen Arzt unter den Bergsteigern aufspürt und mir eine rettende Tablette verabreicht. Wir gehen sehr früh zu Bett, denn bereits um 23 Uhr klingelt schon der Wecker und ein sehr langer Gipfeltag steht uns bevor. Jetzt geht es um die Wurst ;) die immens große Vorfreude gepaart mit Nervosität lässt mich nicht unbedingt besser schlafen, aber zwei Stunden sind es vielleicht dann doch. Immerhin, wie unser Bergführer vorausgesagt hat, ist das Wetter auf einmal wieder deutlich besser als wir uns hinlegen.

Tag 6 & 7

11./12. August 2012 

Barafu Camp (4600m) - Uhuru Peak (5895m) - Mweka Camp (2850m) - Mweka Gate (1800m) - Moshi (800m)

Länge: 19 km, Gehzeit: 12-14 Stunden & Länge 10 km, Gehzeit 3-4 Stunden

 

Nach nur einer kurzen Verschnaufpause klingelt der Wecker noch vor Mitternacht, die Begeisterung hält sich sehr in Grenzen. Wir packen das Nötigste in unsere Rucksäcke, setzten die Stirnlampe auf und begeben uns in die totale Dunkelheit. Nur bei genauerem Hinsehen erkennt man eine riesige Schlange den Berg hoch - es sind unzählige Bergsteiger mit ihren Lampen. Einerseits ein schöner Anblick, andererseits können wir ungefähr erahnen, welch mühsamer und langer Weg uns blüht. Wir werden heute insgesamt 14 Stunden unterwegs sein. Viele Stunden tappen wir in der absoluten Finsternis im Schneckentempo den Berg hoch. „Pole pole“ sag ich schon zur mir selbst, das muss Godfrey jetzt gar nicht mehr machen. Es wird insgesamt wenig gesprochen, einige der anderen Bergsteiger sind singend unterwegs, Hauptsache etwas Abwechslung. Irgendwie ist jeder in seinem Tunnel, den eigenen inneren Schweinehund zu überwinden. Dies ist definitiv der anstrengendste Teil der Besteigung, es ist einfach kein Ende in Sicht. Günther hat mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen, ich bekomme (mal wieder) kaum Luft und friere schrecklich. Der Sauerstoffgehalt der Luft ist zwar unverändert, jedoch der Sauerstoffpartialdruck ab 5500m ist nur mehr halb so hoch wie auf Meereshöhe, weshalb meine Atemfrequenz auch dermaßen auf Anschlag ist. Ich muss zudem ohne Rucksack weitergehen, da ich ihn einfach nicht mehr tragen kann. Nach unserem Aufenthalt in Afrika werden wir noch darüber sprechen, dass wir ohne den andern höchstwahrscheinlich genau an dieser Stelle aufgegeben hätten. Ein Gedanke der jetzt in dieser Situation so präsent war - aber jetzt bloß nicht aufgeben, diese Gelegenheit wird es wahrscheinlich nie wieder geben. Das ist vermutlich aber auch das Trügerische, weshalb dann doch auch etwas Schlimmes passieren kann. Statistisch gesehen sterben jedes Jahr etwa drei bis zehn Personen bei der Besteigung.

 

Nach einer Ewigkeit, es ist noch immer stockdunkel, erreichen wir fix und fertig den für die Moral so wichtigen Punkt, den „Stella Point“ auf 5740m. Jetzt wissen wir, es liegen noch ca. 150 Höhenmeter vor uns. Auch die lang ersehnten ersten Sonnenstrahlen zeigen sich endlich und gewähren einen unbeschreiblichen morgendlichen Fernblick. Jetzt kehren die Motivation und ein Ladebalken meines Akkus zurück, was reicht, nochmal weitere 45 Minuten durchzuhalten. Es wird endlich auch wärmer und die Gelenke tauen langsam auf.

 

Und dann stehen wir plötzlich ganz oben auf 5895m. Es sind viele Bergsteiger mittlerweile angekommen, aber das stört überhaupt nicht - noch immer bin ich in meinem eigenen Film und kriege nur wenig von außerhalb mit. Eine große innere Freude und Erleichterung macht sich spürbar breit, so dass bei mir unaufhaltsam die Tränen fließen (muss wohl vom Zwiebelschneiden in der letzten Woche sein). Was für ein Geschenk und Glück, hier oben stehen zu dürfen. Die Weitsicht hoch über den Wolken ist absolut traumhaft und surreal. Es ist so unglaublich schön hier. Eine große Last fällt von mir, wir haben es nach all der Anstrengung wirklich geschafft. 

 

Ich habe kein Zeitgefühl, aber irgendwann macht uns Godfrey darauf aufmerksam, dass wir absteigen müssen. Nach einigen geschossenen Bildern fällt es mir gar nicht so schwer Abschied vom Gipfel zu nehmen, da ich plötzlich wieder mehr mit der Höhe so meine Schwierigkeiten habe. Aber mit jedem Höhenmeter abwärts geht es mir wieder besser. Nach einer kurzen Pause steigen wir an diesem Tag noch ab bis auf 2850m, wo jedem von uns ein Zertifikat über die erfolgreiche Besteigung ausgehändigt wird. Ich bin viel stolzer als bei meiner Abifeier. Dort im Mweka Camp schlafen wir das letzte Mal in unserem Zelt und steigen am nächsten Tag ab zum „Mweka Gate“, wo schon das Auto Richtung Moshi auf uns wartet.

 

Beim Schreiben dieser Zeilen bekomme ich grad wieder Gänsehaut. Für mich persönlich das herausfordernste Bergabenteuer bisher. Die verwegenen Pläne, weitere Gipfel der Seven Summits zu besteigen verlaufen jedoch im Sande. Ich hatte schon einiges an Lesestoff sowie Karten für die Besteigung des Aconcagua zu Hause und ein ungefähres Zeitfenster für die Besteigung im Kopf. Jedoch ein paar körperliche Wehwehchen hatten dann doch ein paar andere Zukunftspläne ;)

 

Ein absoluter Traum!

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